Begegnung mit Monty Roberts

“Pferdeflüsterer” – den Film mit Robert Redford haben die meisten Pferdefreunde wahrscheinlich gesehen. Geprägt hat den Begriff aber ein anderer: der Amerikaner Monty Roberts. In der ganzen Welt ist er bekannt und wer einmal eine Show von ihm gesehen hat, sieht die Pferdewelt womöglich mit anderen Augen.

Mittlerweile ist Monty Roberts über 80 Jahre alt. Bei der Equitana 2019 ist er noch einmal in Europa. Monty Roberts lässt sich auf Pferde ein, weiß mit ihnen umzugehen, weil er sich in ihre Welt begibt und so Probleme löst, die für viele Menschen mit ihren Pferden unlösbar scheinen.

Ich habe Monty schon einmal vor einer Show getroffen, war dabei wie er selbst die Pferde aussuchte, mit denen er am Abend in einer Show seine Methoden zeigen will. Er will nur drei Pferde für den ganzen Abend und Monty sucht sich nicht die einfachsten Kandidaten aus.
Es ist deutlich zu sehen, dass da Probleme zwischen Mensch und Pferd sind. Sie wollen nicht über Planen, die am Boden liegen, schon gar nicht in einen Pferdehänger oder einen Reiter oben drauf.

Was tun, wenn das Pferd nicht will, was der Mensch will?

Eine Pferdebesitzerin erzählt vor der Show, dass ihr großer Brauner zwar “superlieb” sei, aber sehr schreckhaft und daher im Umgang schwierig. Er habe Angst vor allem, was sich bewegt, vor Geräuschen, die er nicht kennt, Ecken, die er nicht einsehen kann. Auf den Hänger will er schon gar nicht. Er habe einfach Angst. Zur Anschauung will sie ihn in den Hänger führen, der Braune weicht seitlich aus, die Besitzerin stellt sich fast vor ihn, küsst ihn auf die Nüstern und raunt “Na komm”, ihr Blick sagt allerdings “Du musst ja nicht.” Wenig verwunderlich, dass das Pferd draußen geblieben ist.

Der Urinstinkt der Pferde funktioniert auch zwischen Pferd und Mensch

In nur einer halben Stunde mit einem Pferd will Monty Roberts zeigen, was möglich ist. Eine junge Schimmelstute muss lernen, sich einem Menschen unterzuordnen. Aber kann man ein Problem, das über Jahre entstanden ist, in nur einer halben Stunde lösen? Monty Roberts erklärt, dass er Verhaltensmuster und Instinkte bei den Pferden weckt, die die Natur ihnen mitgegeben hat. “Ich kläre die Rangordnung wie in einer Herde”, sagt er. “Ist die einmal geklärt, hält sich jeder daran. Dann reichen nur kleine Gesten, um zu zeigen, wer das Sagen hat.
Wie in einer Herde muss also die Rangordnung geklärt werden. Monty kennt das Pferd zwar nicht, aber er weiß genau: Dieser Urinstinkt funktioniert auch in der Beziehung Pferd und Mensch. Er macht klar: Er ist der Chef. Dazu schickt Monty das Pferd zuerst einmal von ihm weg. Dann aber bietet er dem Pferd an, sich ihm wieder anzuschließen. Die Schimmelstute will zu Monty hin. Völlig ohne Leine. Für das Pferd ist Monty ein Leittier, das Schutz und Sicherheit bietet.

“Üblich im Umgang mit dem Pferd ist, dem Pferd zu sagen, dass es in unsere Welt kommen muss. Es auf unsere Art zu machen. Hör mir zu, ich bin der Boss. Menschen machen das in allen Lebensbereichen. Mein Ding ist es, das Pferd Pferd sein zu lassen, in seine Welt zu gehen und so zu versuchen, auf seine Bedürfnisse einzugehen, vor allem ohne Gewalt.”

Dann kommt der große Braune. Bei der Pferdebesitzerin im Publikum fließen bereits Tränen. Monty möchte dem Pferd zeigen, dass er ihm vertrauen kann. Vor einer vorbeifliegenden Plastiktüte zu scheuen – dazu wedelt er mit einem langen Stab mit rot-weissen Flatterbändern wild herum – das muss nicht sein. Aber der Braune ist keineswegs überzeugt.

Das ranghöchste Pferd ist der Chef in einer Herde. Es zeigt den anderen, was sie zu tun und was sie zu lassen haben. Monty Roberts erarbeitet sich in kürzester Zeit, dass ER der Chef in der kleinen Zweierherde Pferd Mensch wird. Monty Roberts macht deutliche Ansagen und versucht in kleinen Schritten, das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen. Er reibt ihm mit dem Stab über den Rücken. Es sind keine unlösbaren Aufgaben, die er verlangt, dazu bietet Monty Roberts Schutz und Sicherheit und das merkt der große Braune. Die Pferdebesitzerin weint immer noch: “Nicht zu glauben”, sagt sie, “wirklich nicht.” Derweil geht Monty Roberts mit dem Pferd über eine blaue Plastikplane, die in der halben Arena liegt – so wie bei einem Geländeritt durch einen Bach. Der große Braune folgt freiwillig und ohne Leine. Einmal Vertrauen gefasst, stellt das Pferd dies auch nicht mehr in Frage. Es sucht sein Leittier, will bei ihm sein, auch wenn es ein Zweibeiner ist. Das scheinbare Problempferd mutiert innerhalb kürzester Zeit plötzlich zum sanften Lamm. Also hat der große Braune etwas gelernt?

 

“Heute Abend sind hier fast 2000 Menschen. Und ich arbeite mit drei Pferden. Also: Arbeite ich mit Menschen oder mit Pferden. Nur mit drei Pferden. Und den Pferden geht es gut. Sie haben keine Probleme. Es sind die Menschen, die Probleme haben.”

Der berühmteste Satz aus dem Kinofilm “Pferdeflüsterer” ist wohl: „Ich helfe nicht Menschen, die Probleme mit Pferden haben, sondern Pferden, die Probleme mit Menschen haben.“ Und am Ende des Abends mit Monty Roberts kann man das verstehen.

Wenn das Pferd erst einmal Vertrauen zum Menschen gefasst hat, folgt es ihm – auch ohne Peitsche und Gewalt. Das ist wohl die wichtigste Botschaft, die Monty Roberts so populär gemacht hat. Monty Roberts führt vor, wie Menschen mit ihren Gefährten umgehen müssen. Am Ende des Abends sind all die Menschen im Publikum am Zug und müssen zeigen, dass auch sie ein Leittier sein können.

 

Wie arbeitet Monty Roberts?

Roberts glaubt, dass das Pferd den Zweibeiner als Herdenführer akzeptiert, weil er sich vorher durchgesetzt hat. Ohne Gewalt. Er jagt das rangniedere Pferd aus der Herde. Studiert genau seine Gesten und sobald dies Unterwerfungsgesten zeigt, wird es wieder in die Schutz gewährende Herde aufgenommen. Pferde sind soziale Tiere, ziehen die Gesellschaft dem Alleinsein vor. Monty Roberts agiert und das Pferd reagiert.